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Erbrecht

Pflichtteilsverzicht eines Behinderten

14.06.2011

Der Pflichtteilsverzicht eines Behinderten im sogenannten „Behindertentestament“ ist möglich.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Entscheidung vom 19.01.2011 (Az. IV ZR 7/10) festgestellt, dass ein behinderter Mensch bzw. Sozialhilfeempfänger bzw. Empfänger von Hartz IV wirksam auf seinen Pflichtteil in einem Vertrag verzichten kann.

Grund für „sozialsichere Erbgestaltungen“

Manchmal ist es absehbar, dass Nachkömmlinge eines Erblassers absehbar und auf Dauer auf Sozialleistungen angewiesen sind. Im Sozialrecht gilt das sogenannte „Nachranggebot“. Dies bedeutet, dass Sozialleistungen lediglich dann vom Erben vorrangig für seinen Lebensunterhalt bezahlt werden, wenn der Hilfebedürftige selbst kein Geld mehr hat. Ein eventueller Erbteil wäre dann zu verwenden. Die Sozialhilfeträger bzw. die ARGE könnte den Pflichtteilsanspruch des Hilfebedürftigen auf sich übertragen und geltend machen. Dies wird insbesondere dann als äußerst unbillig von den Erblassern empfunden, wenn als hauptsächlicher Vermögensgegenstand eine von den Eltern bewohnte Immobilie als Nachlass zurückbleibt. Der überlebende Ehegatte müsste sodann das Haus verkaufen, um die Pflichtteilsansprüche, welche die ARGE bzw. die Sozialhilfeträger auf sich übergeleitet haben zu erfüllen. Erst wenn der Pflichtteil verbraucht ist, würde der Sozialhilfeträger bzw. die ARGE wieder ihre Zahlung aufnehmen.

Sozialsichere Gestaltung

Wesentlicher Punkt der sozialsicheren Gestaltung liegt darin, dass der Erbe bzw. pflichtteilsberechtigte Leistungsbezieher auf seinen Pflichtteil verzichtet. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) möglich. Aus der im Grundgesetz festgeschriebenen Erbrechtsgarantie folgt auch die sogenannte „negative Erbfreiheit“. Dies bedeutet, dass jemand nicht erben muss, wenn er dies nicht möchte. Dies verstößt nach der Rechtsprechung des BGH auch nicht gegen die guten Sitten, sofern der auf das Erbrecht bzw. den Pflichtteil Verzichtende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) bezieht.

Es können hier noch weitere Gestaltungen getroffen werden, so dass der Leistungsbezieher nach dem SGB nicht völlig ohne „Erbe“ ausgeht. Es kann beispielsweise eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden und der Testamentsvollstrecker angewiesen werden, dass er dem Leistungsbezieher zur Verbesserung seiner Lebensqualität nach billigem Ermessen Gelder und sonstige Sachleistungen zukommen lassen soll, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann. Dies kann noch weiter mit einer Vor- und Nacherbschaft kombiniert werden, so dass lediglich Reinerträge des hinterlassenen Vermögens dem Leistungsempfänger zukommen. Der Stamm des Vermögens wird im Rahmen der Nacherbschaft dann auf eine andere Person übertragen, sobald der Vorerbe und Leistungsbezieher selbst verstorben ist.

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